Dienstag, 16. August 2011

Harambee in Anyiko


Liebe Leser!
Am Samstag, 13. August, fand in der Masasia Dispensary eine Harambee statt, also eine Spndenaktion der Community. Schon im Maerz waren die groben Vorbereitungen abgeschlossen und die Spendenkarten gedruckt und verteilt. Darauf wird der Spendenzweck erklaert und auf der Rueckseite ist Platz fuer die Namen von Freunden, Bekannten und Verwandten und den Betrag, den sie gespendet haben. Diese Karten und der entsprechende Betrag wurden am Samstag in einer feierlichen Zeremonie eingesammelt, und danach sind alle Besucher aufgefordert, den Betrag zu „decken“, also noch ein paar Muenzen hinzuzufuegen. Natuerlich gab es auch ein paar besondere Programmpunkte, denn ausser den „Normalsterblichen“ aus Anyiko kamen auch zwei Anwaerter auf das Ministeramt fuer die Region in dicken Autos angefahren, mit jeweils zwei Unterstuetzern, die kraeftig Werbung  fuer ihn machten. Da naechstes Jahr Wahlen stattfinden, sind solche Harambees eine willkommene Gelegenheit fuer Wahlwerbung.
Auch Antony und ich hatten einen eigenen Programmpunkt als „volunteers“. Antony hatte mit seiner Spendenkarte ein bisschen Geld gesammelt und ich habe 50 Euro von den Spendengeldern beigesteuert. Bleiben noch 250 Euro, die wir nicht sofort ausgeben wollen. Zunaechst muss das Kommittee entscheiden, was mit dem Geld, das zusammengekommen ist, geschehen soll, und da viele Grossfamilien und andere Leute aus Anyiko etwas gespendet haben, werden die Verantwortlichen jetzt ganz genau beobachtet und damit ist sichergestellt, dass das Geld auch entsprechend verwendet wird.
Insgesamt sind unglaubliche 126000 Kenya Shilling zusammengekommen, was etwa 1260 Euro sind. Damit kann nun zum Beispiel die Toilette gebaut werden, die so dringend benoetigt wird, was auch die Krankenschwester aus der naechstgelegenen Klinik, die im Auftrag des Gesundheitsministeriums eingeladen war, nochmal betonte. Oder es wird in das Dach investiert, allerdings kann dieser Betrag nur fuer das halbe Dach dienen.
Mit den verbleibenden 250 Euro von den Spenden, die ich gesammelt habe, wollen wir erstmal noch warten, damit wir dann im Notfall aushelfen koennen, falls es wieder was Dringendes gibt. Antony hat sich ueberhaupt sehr aus den Projekten zurueckgezogen, und das Kommittee leistet ganze Arbeit,  damit es mit den Projekten vorangeht.
Wenn ich wieder in Deutschland bin, will ich die Tauschaktion weiterfuehren, die im Zuge der Klausurenvorbereitungen ein bisschen eingeschlafen ist, denn es gibt noch viel zu tun. Ich hoffe, ich kann hier ein paar Bilder anfuegen, damit man den Fortschritt sieht, aber auch die Arbeit, die noch ansteht. Nachdem ich jetzt gefuehlte drei Stunden auf den rotierenden Kreis gestarrt habe, lasse ich das mit dem Hochladen vielleicht doch einfach bleiben. Internet ist hier eben nicht ganz so highspeed wie anderswo...

Kisumu und andere Begebenheiten


Liebe Leser!
Gestern habe ich zweimal den Aequator ueberquert. Fuer einen halben Tag befand ich mich in der suedlichen Hemisphaere, wir sind naemlich nach Kisumu gefahren. Da war es wie immer ziemlich heiss, wegen des Lake Victoria. Obwohl ich gerade in Kenia kein wirklicher Stadtmensch bin, laest sich so ein Tag in Kisumu doch ganz gut aushalten. Wir haben einiges eingekauft und uns ueber Solarlampen informiert. Gegen Nachmittag waren dann auch mehr Leute auf der Starsse aber es ist bei weitem nicht so stressing wie in Nairobi.
Ansonsten sind meine kenianischen Ferien sehr arbeitsintensiv, was mir gut gefaellt. Wir stehen immer spaetestens um sieben auf, dann gibts was Kleines zum Fruehstueck und allerspaetestens um acht sind wir unterwegs zu einem der vielen kleinen Felder, die die Omamos besitzen. Auf Kiswahili heissen die shamba. Gerade komme ich zum Beispiel von einer shamba, die einen guten Fussweg entfernt ist und die wir heute mit Paul und Lucy fast komplett mit der jembe (Multifunktionshacke) umgegraben haben. Das geht ganz schoen in den Ruecken, aber irgendwie macht es Spass. Stanedig kommen Leute vorbei und gruessen einen. Eine andere shamba haben wir besonders ausgiebig vorbereitet, den darin haben wir Erdnuesse gepflanzt. Mais und Hirse sind jetzt komplett geerntet und trocknen draussen, wenn es nicht gerade regnet, dann muss man die Koerner noch abpfrimeln bzw. Dreschen usw. Und waehrenddessen gehts schon wieder weiter mit den Vorbreitungen fuer die naechste Saison.
Inzwischen sind wir auch dabei, das Verputzen unseres Hauses zu organisieren. Sand, spezielle Erde und grosse Steine sind schon geliefert worden, jetzt brauchen wir noch Zement und ein paar fundis, die das dann machen. Zur Zeit ist der Fussboden einfach festgetretene Erde, nichts Aussergewoehnliches, den das ist bei den moisten Leuten so. Allerdings gibts hier viele Termiten und wir haben nicht fuer alle Betten, Tische, Sofas und Stuehle Plastikbecher, in die wir die Fuesse stellen koennen, damit die Termiten die Moebel in Ruhe lassen. Ausserdem wird nicht immer jemand hier wohnen, weil Antony oft in work camps ist, und da ist die sicherste Methode ein Zementboden. Der wird auch einfacher zu fegen sein. Beim letzten Hausputz hab ich die lose Erde mit der Schaufel aus dem Haus getragen…
Heute hab ich wieder ein paar Blasen an den Haenden dazubekommen, aber das ist gar nicht so schlecht, den wo sie verheilen, wird die Haut hart. Ich gewoehne mich an die Arbeit, schliesslich esse ich hier ja auch taeglich, da will ich auch bei der Nahrungsmittelproduktion helfen. Nichtsdestotrotz sind die Wochen fuer mich hier wie Ferien. Ich weiss, dass ich Anfang Oktober wieder in meiner Leipziger Wohnung sein werde, wo ich im Bioladen um die Ecke mein Essen kaufen werde. Vielleicht faellt mir das Leben und die Arbeit hier deshalb so leicht, weil fuer mich die ueberlebenswichtige Dimension dieser Arbeit nicht so present ist wie fuer den Rest der Familie? Wenn ich mir mal wieder zu viele Gedanken mache – und dazu eignet sich ein Regentag und ein Sack voller Bohnen, aus dem man Steine und anderen Kram sortieren muss, hervorragend – dann hole ich mich selbst ins Jetzt zurueck, indem ich einfach zuhoere. Und man kann wirklich nicht sagen, dass Kenia ein stilles Land ist. Auf der anderen Seite vom River Nzoiya laeuft seit letztem Wochenende ein crusade, wo sie die ganze Zeit Predigten bruellen. Ein entfernter Nachbar ist vor ein paar Tagen verstorben, deswegen spielen sie da die ganze Nacht durch die froehlichste Tanzmusik in voller Lautstaerke. Und die Schule/Kirche um die Ecke laesst es sich nicht nehmen, morgens auch noch seinen Teil zu dieser Kakophonie beizusteuern. Jetzt gerade, in diesem Moment, wo ich das schreibe, sind alle Lautsprecher verstummt. Der Wind raschelt im trockenen Mais, man hoert die Vormittagsvoegel (denn jede Tageszeit hat ihre Vogelstimmen), irgendwo kraeht ein Hahn und eine Kuh muht. Wochentags hoere ich gerne dem Musikunterricht in einer Schule in der Naehe zu, in dem die Kinder etwa ab vier oder fuenf mindestens eine geschlagene Stunde ein Lied nach dem anderen bruellen. Auch unsere Huehner gackern hin und wieder, und die Kueken quitschen vor sich hin. (Neulich ist das weisse mzungu-Kueken, das natuerlich Laura heist, in das Frisch gegrabene Kompostloch hinter unserem Haus gefallen und ich muste es retten.) Morgens sind auch andere Leute in ihrer shamba, und ueberall hoert man die jembe in die Erde fahren. Und hin und wieder schallt die verrueckte Hupe eines MAtatus von der grossen Strasse herueber. Und dann bin ich wieder in Kenia mit meinen Gedanken, woe s mir so gut gefaellt und wo ich versuche, das schwere Leben hinter der Idylle und den noch nie anders gewesenen Alltag in all der harten Arbeit zu sehen und nichts davon zu vernachlaessigen und nichts davon zu vermischen – oder wuerde das vielleicht helfen?
Ich schreibe bald wieder, denn heute findet die Harambee fuer die Klinik statt und davon will ich natuerlich gesondert Bericht erstatten.
Soweit viele Gruesse aus Kenia. (geschrieben am Samstag, 13. August, bei einer Tasse deutschen Cappucchino.)

Dienstag, 2. August 2011

wieder zu hause

Liebe Leser!

Nach fast anderthalb Jahren bin ich nun wieder in Kenia. Die Anreise war wie immer recht lang: zuerst etwa 11 Stunden Flug mit Umsteigen, dann nochmal acht Stunden Bus, bzw. Achterbahn, wenn ich an die Strasse von Kisumu nach Busia denke. Aber sie hat sich wie immer gelohnt. Jetzt sitze ich in meinem Haus auf meinem Sessel und der Nachmittag ist einigermassen frei. Die ersten Tage durfte ich keinen Finger ruehren, aber jetzt bin ich schon kein visitor mehr sondern ein Teil der Familie. Am Sonntag waren ziemlich viele Leute da, auch der Pastor, und das Haus wurde offiziell eingeweiht. Viele Leute kennen mich immer noch als Nyar Anyiko, das Maedchen aus Anyiko, und ich fuehle mich sehr wohl hier, weil ich so nett empfangen wurde.

Seit Montag ist aber Schluss mit Urlaub, die Woche fing erstmal mit dem grossen Abwasch vom Sonntag an. Im Moment ist Erntezeit, und ich hab mir schon mindestens acht Blasen an den Haenden zugezogen, weil wir seit zwei Tagen Hirse ernten, also die Kolben von den Pflanzen schneiden, dann vor dem Haus ausbreiten (wo Lucy, eine meiner kenianischen Muetter, den Boden ganz glatt mit Kuhdung ausgestrichen hat) zum Trocknen, sie schliesslich kraeftig mit riesigen Holzloeffeln dreschen und wenn Wind kommt, die Koerner in einen Korb rieseln lassen, damit die Spreu wegfliegt. Der Kuhdung ist ganz glatt, trocken und sauber und erleichtert die Arbeit enorm, denn dann kommt kein Dreck zwischen die Koerner.

Die Hirse wird zum typischen braunen Ugali verarbeitet, das ich schon irgendwie vermist habe. Ueberhaupt ist mir das Essen hier schon so bekannt, dass ich keinerlei Gewoehnungsprobleme habe. Ich weiss auch gar nicht so genau, was ich schreiben soll, weil mir alles so normal erscheint. Tatsaechlich fuehlt es sich an, als sei ich nach Hause gekommen. Auch das Wetter ist ziemlich angenehm. Jetzt gerade, am Nachmittag, knallt die SOnne schon ganz schoen, aber selbst unter unserem Wellblechdach ist es dank der Lehmwaende angenehm kuehl und heute morgen waren wir schon um sieben auf dem Feld (wo man etwa 20 MInuten hinlaeuft), da laesst es sich durchaus aushalten und arbeiten; und hin und wieder geht ein leichter Wind. Vielleicht liegt es auch daran, dass wir noch keine Fenster haben, das ist eines der kleinen Hausprojekte, die wir starten wollen. Antony hat auch angefangen, ein Regal zu bauen und der Boden muss noch betoniert warden, damit die Moebel von Termiten verschont bleiben. Ich versuche, den SOnnenstand zu beobachten, um geeignete Plaetzchen fuer kleine permakulturelle Experimente zu finden. Ein paar Kressesamen spriesen schon vor sich hin und vielleicht bauen wir einen “chicken tractor”, damit die Huehner die paar Quadratmeter neben unserem HAus soweit vorbereiten koennen, dass wir dann einen kleinen Kraeutergarten anlegen koennen.

Auf dem neuen compound, also dem Familiengrundstueck, das noch nicht so lange existiert, waechst ueberhaupt viel – was eher ungewoehnlich ist. Im Moment baumelt die Waesche im Mais und die Huehner fuehren ihre knuffigen, zwei Tage alten Kueken zwischen Kassawabaeumen herum. Ausserdem stehen hier ien paar Mango- und Avocadobaeume, und heute habe ich Guacamole gemacht und allen hats geschmeckt.

An gewisse Regeln muss ich mich noch gewoehnen: Ich esse mit Lucy in ihrem Haus, die Jungs mit den anderen Maennern und ihrem Vater woanders. Auch die Art, wie man Gaeste bewirtet, folgt strengen Regeln, die ich nun als Hausbesitzerin natuerlich auch erfuellen muss. Aber die Leute sehen es mir nach, wenn ich etwas tue, was in ihren Augen komisch erscheint, lachen mit mir und erklaeren es mir fuers naechste Mal.

Die Projekte habe ich auch schon besucht. Ich dachte wirklich erst, das muss ein anderer Ort sein als der, den ich im Februar 2010 verlassen habe. Die Schule sieht so toll aus! Wie eine richtige Schule eben. Es finden Naehkurse darin statt, aber im Moment haben alle Kenianer Ferien bzw. Sind mit der Ernte beschaeftigt. Die Klinik wartet auf ihr Dach, und statt der grossen Veranda nach vorne wurden kurzerhand zwei extra Raeume gebaut, was wahrcheinlich eine gute Idee war. Mitte August wird es ein Harambe, einen Spendenaufruf geben, und es sind auch noch ein paar Spenden aus Deutschland vorhanden. Allerdings versuchen Antony und ich uns derzeit eher zurueckzuhalten, den es soll ja die Klinik fuer Anyiko werden und kein Geschenk aus Deutschland, fuer das sich am ENde keener verantwortlich fuehlt. Ich habe meinen guten Freund Mr Sind getroffen, der auch der Vorsitzende der beiden Projekte ist, und er meinte, dass nun auch alle Papiere, die fuer die Registrierung der Schule notwendig sind, in saemtlichen Bueros von saemtlichen Zustaendigen mit allen notwendigen Unterschriften und Stempeln vorliegen. Man hat wirklich lange genug dafuer gekaempft und sich auch ein bisschen veraeppeln lassen, aber jetzt kann man wirklich nichts mehr tun als zu warten, und vielleicht hin und wieder nachzufragen.

Ich in ja noch nicht so lange hier und es git noch viel zu besprechen und zu organisieren. Jetzt werde ich aber erstmal duschen und nach der Hirse sehen, den gerade kommt ein Wind auf und wenn der aufhoert zu wehen, kommt ziemlich sicher Regen. Davor muss die trocknende Hirse wieder verpackt und zurueck in Lucys Haus verstaut werden, und weil sonst keener da ist, muessen Paul und ich das machen.

Bis demnaechst! Gruesse aus Anyiko, Kalala Compound.


PS: Diesen Text habe ich am Dienstag, 2. August um halb vier geschrieben und werde ihn einfach kopieren und in den Blog einfuegen, um Internetguthaben zu sparen.